JAHRESKREIS
12. WOCHE – DONNERSTAG
52
DAS GEHEIMNIS FEIERN
Kreuzesopfer und Meßopfer.
Bewußt, fromm und tätig.
Das Mahl des Herrn – ein Fest.
I. Die Jünger müssen sich verwundert angeschaut haben, als Jesus das jahrhundertealte, heilige Ritual durchbrach und über Brot und Wein neue Worte sprach: Mein Leib, für euch hingegeben … Mein Blut, für euch vergossen. Er setzte damit das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes ein, um »das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zur Wiederkunft fortdauern zu lassen«1. Seitdem erfüllt die Kirche diesen Auftrag. In der Feier der Eucharistie »bringen wir dem Vater dar, was er selbst uns gegeben hat: die Gaben seiner Schöpfung, Brot und Wein, die durch die Worte Christi und durch die Kraft des Heiligen Geistes Leib und Blut Christi geworden sind.«2
Im eucharistischen Hochgebet wendet sich der Priester »auch im Namen des ganzen Volkes an Gott: er sagt ihm Dank und bringt ihm ein lebendiges und heiliges Opfer dar, das Opfer der Kirche und die Gabe, durch deren Darbringung Gott versöhnt werden wollte (vgl. Eucharistisches Hochgebet III). Der Priester bittet ferner, daß Leib und Blut Christi ein Opfer seien, das dem Vater wohlgefällig ist und der ganzen Welt zum Heile dient (vgl. Eucharistisches Hochgebet IV).«3 Durch dieses Tun bekennt die Kirche: »Das Kreuzesopfer ist ein und dasselbe wie seine sakramentale Vergegenwärtigung in der Messe, abgesehen von der verschiedenen Art und Weise der Darbringung. Christus, der Herr, hat die zeichenhafte Erneuerung beim Abendmahl eingesetzt, als er den Aposteln den Auftrag gab, sie zu seinem Gedächtnis zu begehen. Die Messe ist daher zugleich Opfer des Lobes, der Danksagung, der Versöhnung und der Sühne.«4
Lob und Danksagung sind auch dann wirksam, wenn kein Gläubiger anwesend ist; denn immer ist Christus selbst der Hauptfeiernde, und immer nimmt die Kirche, der Leib Christi, am Opfer ihres Hauptes teil. »Mit ihm wird sie selbst ganz dargebracht. Sie vereinigt sich mit seiner Fürbitte beim Vater für alle Menschen.«5
Auch Versöhnung und Sühne gründen auf den unendlichen Verdiensten Christi, aber ihre Kraft ist unterschiedlich, je nachdem, wie die persönliche innere Disposition des Mitfeiernden ist.
Um die Früchte der heiligen Messe zu empfangen, lädt uns die Kirche ein, uns mit dem Opfer Christi zu vereinen. Und sie lädt uns ebenso ein, uns mit der Gesinnung Christi zu vereinen, im Bemühen, unser ganzes Sein, unser tägliches Tun Gott hinzugeben. So sind unsere »Werke, Gebete und apostolischen Unternehmungen« sind »Ehe- und Familienleben, die tägliche Arbeit, die geistige und körperliche Erholung, wenn sie im Geist getan werden, aber auch die Lasten des Lebens, wenn sie geduldig ertragen werden, >geistige Opfer, wohlgefällig vor Gott durch Jesus Christus< (1 Petr 2,5). Bei der Feier der Eucharistie werden sie mit der Darbringung des Herrenleibes dem Vater in Ehrfurcht dargeboten.«6
Alles, was wir sind und tun, erlangt einen neuen Wert, wenn wir das, was wirklich »Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens«7 ist, auch praktisch zur Mitte des Tages werden lassen, zum Bezugspunkt unserer Gedanken und unserer Handlungen.
II. Die Kirche richtet »ihre ganze Sorge darauf, daß die Christen diesem Geheimnis des Glaubens nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer beiwohnen; sie sollen vielmehr durch die Riten und Gebete dieses Mysterium wohl verstehen lernen und so die heilige Handlung bewußt, fromm und tätig mitfeiern.«8
Die »Riten« dieser heiligen Handlung sind deshalb nicht bloß Außerlichkeiten, sondern Äußerungen des sakralen Geschehens. »Das >sacrum< der Messe ist eine Sakralität, die Christus verfügt hat. Die Worte und Handlungen jedes Priesters, denen die bewußte und aktive Teilnahme der ganzen Eucharistie feiernden Gemeinde entspricht, bilden das Echo des Geschehens vom Gründonnerstag.«9 Sie sind - der Eigenart der Liturgie entsprechend - Zeichen, die wir gleichsam hinterfragen sollen, damit wir das Bezeichnete finden. Die Aufforderung, sich zu Beginn zu besinnen und die Sünden zu bekennen, soll eigenes Sündenbekenntnis sein, die kurze P= 9 Sie sind - der Eigenart der Liturgie entsprechend - Zeichen, die wir gleichsam hinterfragen sollen, damit wir das Bezeichnete finden. Die Aufforderung, sich zu Beginn zu besinnen und die Sünden zu bekennen, soll eigenes Sündenbekenntnis sein; die kurze ause nach dem Lasset uns beten soll eigenes Beten sein; das Amen bei der Kommunion soll »ein Akt des persönlichen Glaubens an die Gegenwart Christi= 10, das Amen nach dem Per ipsum - Durch ihn - am Ende des Eucharistischen Hochgebetes das wichtigste Amen der ganzen Messe«11 sein.
Auch die Körperhaltung hat ihren zeichenhaften Charakter: »sie drückt die geistige Haltung und Einstellung der Teilnehmer aus und fördert sie«12. Im Knien neigt sich die Seele in Ehrfurcht und Anbetung vor Gott, das Stehen bedeutet, daß einer »sich zusammengenommen hat. Er ist wach, aufmerksam, gespannt. Und er ist bereit. (…) Das ist die andere Seite der Ehrfurcht vor Gott. Im Knien war es die anbetende, in Sammlung verharrende; hier die wache, tätige.«13
Die Zeichenhaftigkeit erstreckt sich auch auf Verhaltensweisen, die in unserer Kultur Wertschätzung und Respekt ausdrücken, wie etwa rechtzeitiges Eintreffen – nach Möglichkeit schon ein wenig vor Beginn; es erleichtert nicht nur Sammlung und Einstimmung, sondern ist gleichzeitig eine aufmerksame Geste gegenüber dem Herrn wie auch gegenüber dem feiernden Priester und den Teilnehmern. Halten wir es nicht bei jedem wichtigen Gesprächstermin so? Nichts aber übertrifft die heilige Messe an Rang und Wert.
Entscheidend ist jedoch die innere Anteilnahme, und das heißt, Glaube, Hoffnung und Liebe lebendig werden zu lassen. Der subjektive Höhepunkt ereignet sich in dem Augenblick, da wir Christus in uns aufnehmen. Die Liturgie legt uns die Worte in den Mund: Herr, ich bin nicht würdig … Jeder wird dazu – aus eigenem – weitere Worte finden. Oder er wird sich das Bekenntnis des Apostels Thomas zu eigen machen: Mein Herr und mein Gott!14 Oder mit Thomas von Aquin beten: Adoro te devote, latens deitas – Ich bete dich an, Gott im Verborgenen. Es geht ums persönliche Beten, um ein inniges Gespräch mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, ehrfürchtig und spontan in eins.
III. Der unerschöpfliche Reichtum der Eucharistie kommt in den verschiedenen Benennungen zum Ausdruck, die jeweils einen Aspekt besonders ins Licht rücken: eine unter ihnen ist Mahl des Herrn15. Sie verweist auf das Abendmahl, das der Herr am Abend vor seinem Leiden mit seinen Jüngern hielt, aber auch auf das Hochzeitsmahl des Lammes im himmlischen Jerusalem16, das hier vorweggenommen wird.
Deshalb ist die Messe ein Fest. »Fest ist das Gegenteil vom Alltag. Fest bedeutet Freiheit vom Geknechtetsein durch unentrinnbare, ungeliebte, bedrängende Arbeit. Fest bedeutet Emporgehobenwerden zu höheren Werten aus Langeweile und Nichtigkeiten. Fest bedeutet Freude nach Tränen und Trauer, bedeutet Singen nach Stummheit und Klagen, bedeutet Gemeinsamkeit nach der Einsamkeit. (…) Zum Fest gehört nicht gute Laune, nicht Stimmung als Voraussetzung. Im Gegenteil, die Trauer kann als dunkler Vorhang das Gold des Festes noch mehr zum Leuchten bringen. Zum Fest gehört nicht Sattheit, sondern Hunger, Durst und Sehnsucht. Mit vollem Magen kann man nicht singen! Zum Fest gehört nicht Reichtum, vielleicht eher Armut, sicher Bedürftigkeit. Fest wächst aus der Vorbereitung. Wenn nicht daheim vorher gewischt und geputzt wurde, kommt kein Fest zustande. Wenn man nicht gesorgt und geplant, eingekauft und vorbereitet hat, wird nie ein Fest werden. All das gilt auch vom Fest der heiligen Messe.«17 Jede heilige Messe, auch die Messe des Missionars im verlorensten Winkel der Erde ist das wichtigste Ereignis der Welt.
Am Ende der heiligen Messe steht der Segen. Der »Segen im Namen des Dreifaltigen und mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes kehrt wie >Dominus vobiscum< zum Anfang zurück. Eingangspforte und Ausgangstür sind wohl immer die gleiche. .«18 Jedes Fest erhebt sich aus den Niederungen des Alltags und entläßt die Feiernden in den Alltag zurück, jedoch anders als vorher: gekräftigt, befreit, froh - in Frieden: Geht hin in Frieden. Aus dem Ite, missa est! ist der heutige Name für die Feier des = 18 Jedes Fest erhebt sich aus den Niederungen des Alltags und entläßt die Feiernden in den Alltag zurück, jedoch anders als vorher: gekräftigt, befreit, froh - in Frieden: Geht hin in Frieden. Aus dem Ite, missa est! ist der heutige Name für die Feier desVermächtnisses Christi entstanden: Missa - missio - Messe. Betend entdecken wir neu, daß wir nicht bloß entlassen, sondern nach dem Wortsinn auch gesandt werden.
Zur Feier gehört der Ausklang. Warum nicht die liturgische Danksagung persönlich noch ein wenig ausweiten, indem man in Anbetung, Dank und Bitte verharrt. So läßt sich leichter die Brücke zum Alltag schlagen: zu denen, die uns nahestehen und uns vielleicht schon im Memento gegenwärtig gewesen sind, wie auch zu den Aufgaben, die uns erwarten.
1 II.Vat.Konz., Konst. Sacrosanctum Concilium, 47. – 2 Katechismus der Katholischen Kirche, 1357. – 3 Römisches Meßbuch, Allgemeine Einführung, Vorwort, 2. – 4 ebd. – 5 Katechismus der Katholischen Kirche, 1368. – 6 II.Vat.Konz., Konst. Lumen gentium, 34. – 7 vgl. ebd., 11. – 8 II.Vat.Konz., Konst. Sacrosanctum Concilium, 48. – 9 Johanes Paul II., Apost. Schreiben Über das Geheimnis und die Verehrung der heiligsten Eucharistie, 24.2.1980, 8. – 10 Instruktion der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst über einige Normen zur Feier des Geheimnisses der heiligsten Eucharistie, 17.4.1980, 11. – 11 ebd., 4. – 12 Römisches Meßbuch, Allgemeine Einführung, 20. – 13 R.Guardini, Von heiligen Zeichen, Mainz 1992, S.24-25. – 14 Joh 20,28. – 15 vgl. 1 Kor 11,20. – 16 vgl. Offb 19,9. – 17 Th. Schnitzler, Was die Messe bedeutet, Freiburg 1976, S.20. – 18 ebd., S.204.